Thesen zur Erbschaftssteuer

Logo Retail Investor

Warum die Forderung nach einer höheren Erbschaftssteuer für Firmenerben absurd und kontraproduktiv ist.

Dass Ausgaben und Einnahmen zumindest mittelfristig in Einklang zu bringen sind, scheint beim überwiegenden Teil der Bundesbürger zum Allgemeinwissen zu gehören. Die Politik, aber offensichtlich auch die Wissenschaft, fremdelt jedoch mit diesem Gedanken weitgehend.

In den vergangenen Tagen wird Monika Schnitzer, hochdekorierte Wissenschaftlerin, sogenannte Wirtschaftsweise und Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, in der deutschen Medienlandschaft mit der Forderung nach Einführung einer Erbschaftssteuer für Firmenerben zitiert. Frei nach der Devise, Geld holt man sich am Besten dort, wo es gehäuft vorkommt, reiht sich die Professorin mit dieser populistischen Forderung in die Reihen der Sozialpolitiker ein, deren Seelenheil an der Umverteilung von Vermögen zu hängen scheint.

Vordergründung kann man sich dieser Forderung einfach anschließen, betrifft sie doch eine Bevölkerungsrandgruppe, die demokratisch leicht zu marginalisieren ist. Es lohnt sich jedoch, etwas genauer hinzuschauen. Die Wirtschaftsweise Schnitzer begründet die Machbarkeit ihrer Forderung mit dem Hinweis, dass Unternehmen ja die Möglichkeit hätten, die anfallende Erbschaftsteuer über den Kapitalmarkt zu finanzieren.

Schon der Ansatz ist interessant. Zur Deckung notwendiger, staatlicher Ausgaben werden Unternehmererben angehalten, einen Kredit aufzunehmen, wenn ihnen denn die erforderlichen Barmittel nicht zur Verfügung stehen. Wenn man so will, wird dadurch das Elend des Staats auf die Industrie verlagert. Diese ist schon durch die aktuelle Politik, über die Maßen gebeutelt. Allein dieser Aspekt hat Geschmäckle. 

Dringt man etwas tiefer in die Gesetzmäßigkeiten der Volkswirtschaft ein, findet man eine ganze Reihe weiterer Ungereimtheiten. Der Fokus der Schnitzer Forderung liegt natürlich auf den großen, erfolgreichen Firmen und Unternehmen, die auch aufgrund des Skaleneffekts die entsprechenden Steuereinnahmen versprechen. Fatal ist an dieser Forderung jedoch Folgendes.    

Je größer und erfolgreicher ein Unternehmen ist, umso mehr Arbeitsplätze dürfte es geschaffen haben, umso größer ist die Dienstleistungs- und Servicefunktion, die es für die Bevölkerung erbracht hat und auch noch zukünftig erbringen können sollte. Zum besseren Verständnis stelle man sich z.B. eine Bundesrepublik ohne Versorger, Einzelhändler, Dienstleister und Autoindustrie vor; also ein Deutschland ohne oder mit nicht mehr konkurrenzfähigen Unternehmen, wie z.B. Aldi, BMW oder Siemens. Ob dies für unser Land vorteilhaft wäre, darf stark bezweifelt werden. Ausländische Unternehmen würden sich über eine derartige Erbschaftssteuer freuen und die so vorsätzlich herbeigeführten Service-, Dienstleistungs- und Produktionslücken bereitwillig füllen. 

Blickt man noch tiefer, wird deutlich, dass ein weiterer Sargnagel für die deutsche Wirtschaft angesetzt wird, ein Sargnagel, der erschwert, dass auch Deutschland irgendwann endlich einmal ein Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung in der Größenordnung der Magnificent Seven hervorbringt.

Erbschaftssteuer 5
Grafik: D. Mark

Zwischen 25 und 30 Jahre dauert es in etwa, bis dass ein junges Unternehmen in den Bereich von Marktdominanz hereinwachsen kann, eine Zeitspanne, die in etwa dem entspricht, was gemeinhin unter einer Generation verstanden wird. Das dürfte aber auch die Zeitspanne sein, nach der eine Firma vererbt wird. Gerade wenn diese in die Phase der Konsolidierung übergeht, wird sie durch einen staatlichen Eingriff, durch die Erbschaftssteuer, belastet.

Die Möglichkeit größere Geldsummen aus dem Betrieb zu ziehen, ist aber auch in Wachstumsphasen erheblich eingeschränkt. Dass sich all dies in einer anderen finanziellen Dimension abspielt, als es für Mitarbeiter sowie den Großteil der Bundesbürger nachvollziehbar ist, ändert nichts an der grundlegenden Problematik.

Die oft aufgestellte Behauptung, dass Erben nichts zum Betriebsvermögen beigetragen hätten, ist in dieser Verallgemeinerung unzutreffend. Dies gilt insbesondere für den deutschen Mittelstand, der nicht selten auch synonym für den Begriff Familienunternehmen ist. Über diesen generationsübergreifenden Ansatz tragen auch Unternehmerkinder zum Firmenerfolg bei.

In ihrer Jugend haben sie auf Väter oder Mütter verzichten müssen, weil diese in einen 60-80 Wochenstundenrhythmus eingebunden waren. Dieses besondere Arbeitsethos ist übrigens gut nachzulesen in dem Buch – Projekt Lightspeed – von Joe Miller, Ö. Türeci und Ugur Sahin. Wem, wie offensichtlich Frau Schnitzer, der direkte Einblick in Unternehmen fehlt, oder abhandengekommen ist, kann das durch die Lektüre des Buchs über den Weg zum BioNTech-Impfstoff korrigieren.

Auch aus geopolitischer Perspektive entpuppt sich die Besteuerung von Betriebsvermögen im Erbfall als Katastrophe, trägt sie doch dazu bei, die wirtschaftliche Potenz unseres Landes weiter zu verzwergen. In einer Zeit, in der die unterschiedlichen politischen Systeme stark konkurrieren, fällt der Wirtschaftskraft einer Nation im internationalen Kontext eine besondere Bedeutung zu. Häufig wird sie als direktes oder indirektes politisches Druckmittel gegenüber anderen Systemen eingesetzt. Wirtschaft im nationalen Alleingang durch Kapitalentzug beim eintretenden Erbfall vorsätzlich zu schwächen, ist auch aus dieser Perspektive mindestens grob fahrlässig und schädlich fürs Allgemeinwohl.

Populistische Sozialpolitik ist meist auf große Geldsummen fokussiert. Diese werden dabei grundsätzlich unter Generalverdacht gestellt – Tatbestand obszöner Reichtum. Gespielt wird das Ganze auf der Neidpartitur, was politisch immer gut ankommt. Menschen komplexe Zusammenhänge klar zu machen, ist erheblich aufwendiger, als Umverteilung als geniale sozialpolitische Idee hoffähig zu machen. Bringt man dann, wie bereits angedeutet, noch einen Schuss Neid ein, wird das Ganze fast zum Selbstläufer. Ein Selbstläufer, der jedoch ein weltfremdes Wirtschaftsverständnis offenbart, welches, wenn man es auf die Spitze treibt, als asozial angesehen werden muss. Es beschädigt die bereits durch die Politik eingeschränkte internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und schmälert damit auch zeitverzögert individuellen Wohlstand. Der internationalen Konkurrenz wird es erleichtert, diese künstlich herbeigeführten Schwächungen zu nutzen und in die entstandenen Lücken vorzustoßen. Wirtschaftsförderung sieht anders aus.

Alles in Allem handelt es sich bei Schnitzers Vorstoß um einen realitätsfremden Vorschlag, der auf eine große akademische Distanz zum realen Wirtschaftsleben schließen lässt. Er offenbart ein bedenklich einseitiges Verständnis von Wirtschaft, transportiert aber auch eine falsche Vorstellung von Sozialpolitik. Im Bundestags-Debatten-Jargon würde man von einem Griff in die Mottenkiste sprechen, der einer Wirtschaftsweisen unwürdig ist.