Teil 1
von Klaus-Uwe Becker, 05.01.2025

Mit diesen Fragen befassen wir uns in dieser zweiteiligen Artikelserie.
- Wie hoch ist das Kurswachstum der Magnificent Seven genannten Aktien Amazon (AMZN), Alphabet (GOOG), Apple (AAPL), Meta (META), Nvidia (NVDA) und Tesla (TSLA) seit dem IPO?
- Wieviel Vermögen haben diese Unternehmen aus einem Einmalinvestment von 1000 USD geschaffen?
- Wie hoch ist das Vermögen, dass die Magnificent Seven nach jeweils 30 Jahren angehäuft haben werden?
- Lohnt der späte Einstieg noch? Wieviel Wachstum ist noch zu erwarten?
Wieder einmal ein Artikel mit einigen umfangreichen Tabellen bei Retail Investor. Es lohnt sich, wie hoffentlich immer, sich aktiv mit den vielen Zahlen und Daten auseinander zu setzen, auch wenn es ein wenig Mühe macht. Die daraus resultierenden Erkenntnisse können der Schlüssel dazu sein, wie man ein großes Vermögen vergleichsweise risikoarm, ohne viel tägliches Kümmern aufbauen kann. Man könnte diese beiden Artikel durchaus als so etwas wie eine Pflichtlektüre für interessierte Börsenanfänger ansehen.
Warum haben wir bei Retail Investor bisher Aktien wie die Magnificent Seven (Mag Seven), also so bekannte und erfolgreiche Papiere wie Amazon, Alphabet, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla und ignoriert? Das ist eine Frage, der sich der eine oder andere sicherlich gestellt hat.
- Retail Investor will in erster Linie ein Forum für Kleinanleger sein. Deren primäres Anliegen muss es sein, die eigene Sparquote über möglichst hohe und nachhaltige Dividendeneinkünfte zu erhöhen. In unseren Analysen gehen wir von Durchschnittsverdienern aus, die ihre monatliche Sparrate nicht beliebig erhöhen können oder wollen. Mittlerweile sind zwar 5 der 7 Mag Seven-Werte zu Dividendenzahlern geworden. Die Dividendenrenditen bewegen sich mit ca. 0,03% bei Nvidia und ca. 0,74% bei Microsoft auf einem Niveau, das allenfalls Großaktionäre beglücken kann. Für Passive Income Investoren haben diese Dividendenerträge aktuell allenfalls symbolischen Charakter.
- Bei den Mag Seven handelt es sich um bereits seit Längerem erfolgreiche Aktienwerte, die im breiten Fokus der Öffentlichkeit und Investoren stehen. Diese Werte befinden sich zwangsläufig in fast allen einschlägigen Depots und Indexfonds und das meist in einem überproportionalen Verhältnis. Sie sind die ausgewiesenen, dominierenden Marktführer und alles andere als unterbewertet. All das kann im Falle von schlechten Nachrichten zu vergleichsweise großen Kursrutschen führen.
- Eigentlich sind diese sieben Aktien eine ziemlich heterogene Gruppe. Amazon, Nvidia und Alphabet hatten ihre IPOs zwischen 1997 und 2004. Microsoft (IPO 1986) und insbesondere Apple (IPO 1980) sind quasi die Methusalems der Magnificent Seven. An den IPO Daten wird deutlich, dass es sich nicht um eine homogene Gruppe handelt.
Die Markführerschaft, die diese Unternehmen auszeichnet und auch miteinander verbindet, hat sich zum Beispiel bei Microsoft und Apple bereits seit gut 30 Jahren abgezeichnet. Alphabets und Amazons Dominanz kristallisierte sich hingegen erst vor ca. 15 Jahren heraus.
Meta (IPO 2012) und Tesla (IPO 2010) sind in dieser Gruppe die jüngsten Unternehmen. Insbesondere bei Tesla klafft der eigene Anspruch und die Realität in Bezug auf die angestrebte Marktdominanz auseinander. Die aktuell erstmals gesunkenen Zulassungszahlen von Tesla, sowie die fehlende Modellpflege, scheinen dies zu bestätigen. Die hochgesteckten Visionen zum autonomen Fahren scheinen in die Ferne gerückt zu sein.

Wie geht man als Anleger, der bisher in keinem dieser Werte investiert ist, mit diesen Aktien um? Lohnt sich ein später Einstieg noch? Mit welcher Erwartungshaltung kann, bzw. sollte man in ein Investment gehen
Bisherige Performance
Die Tabelle 1 zeigt die bisherige Performance, die jährlichen, durchschnittlichen Kurssteigerungsraten (Zeile Kurswachstum), die die Magnificent Seven seit ihrem Börsengang (IPO) erzielt haben. Zudem ist die Entwicklung eines Einmalinvestments von 1000 USD zum IPO Tag (Zeile: Aus 1000) ausgewiesen.
Die Zeile – Aus 1000 über 30 Jahre – geht davon aus, dass alle Unternehmen ihre individuellen, durchschnittlichen Kurswachstumsraten über einen Zeitraum von 30 Jahren einhalten könnten. Wir haben diese Kategorie eingerichtet und berechnet, um die jeweilige Performance vergleichen zu können. Man sollte jedoch auch immer im Hinterkopf haben, dass Microsoft und Apple wesentlich ältere Unternehmen sind, also schon mehr als 30 Jahre existieren. Das frühe Wachstum dieser AGs wird durch unseren Rechenansatz somit ausgeblendet.
Meta und Tesla sind, wie bereits erwähnt, wesentlich jüngere Unternehmen. Bei ihnen haben wir durch diesen Ansatz das aktuelle Wachstum auf 30 Jahre fortgeschrieben. Insofern sind diese Zahlen mit einiger Vorsicht zu sehen. Sowohl bei Apple, als auch bei Microsoft, gab und gibt es durchaus Bedenken, ob und wie lange diese beiden Börsenstars ihre herausragende Wachstumsgeschichte fortschreiben können.


Grundlegende Erkenntnisse
Die aufgezeigten Ergebnisse geben dem Investor das nötige Selbstvertrauen und -bewusstsein, auch Kursrückschläge zu überstehen, ohne in den Panikmodus zu verfallen.
Zuallererst wird der von Retail Investor vertretene langfristige Anlagehorizont (Buy-And-Hold Strategie) eindrucksvoll bestätigt. Die Ergebnisse, der Zeile Aus 1.000 belegen dies plakativ. Hier wird das aufgelaufene Vermögen aus einem Einmalinvestment von 1.000 USD aufgelistet, dass sich aus diesem Investment innerhalb des jeweils ausgewiesenen Zeitraums (Zeile: Jahre) entwickelt hat. Insgesamt haben wir es hier mit 4 Millionärsmacher Aktien zu tun. Sollten die restlichen drei Aktiengesellschaften ihre aktuelle Wachstumsrate auf 35 Jahre fortschreiben können, würden sie ebenfalls zu diesem illustren Klub der Millionärsmacher Aktien gehören.
Wichtige Erkenntnisse:
- Die große Bedeutung des Faktors Zeit und des Zinseszinseffektes. Gerade für einen Kleinanleger, ist der Faktor Zeit durch nichts zu ersetzen, es sei denn, man verfügt über eine gebündelte Packung Genialität oder das Glück desjenigen, der im Lotto sechs Richtige in Folge erzielt. Trotz in etwa ähnlichem Kurswachstum von Microsoft (MSFT) und Alphabet (GOOG), differiert die Endsumme aus dem Einmalinvestment von 1.000 USD ganz erheblich. Die 18 fehlenden Wachstumsjahre machen den phänomenalen, kaum vorstellbaren Unterschied von gut 4,1 Millionen USD zwischen diesen beiden Unternehmen aus. Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein Einmalinvestment in dieser, vergleichsweise geringen Höhe auf ein aktuelles Vermögen von über 4,2 Millionen USD angewachsen ist. Schaut man sich die Kategorie – Aus 1.000 auf 30 Jahre an – erkennt man, den erheblich kleiner gewordenen Abstand zwischen den beiden Aktiengesellschaften. Der Unterschied von gut 125.000 USD ist allein in der Wachstumsdifferenz von 0,94% über 30 Jahre begründet.
- Die Bandbreite der Kurswachstumsraten der beiden ältesten Aktiengesellschaften, Microsoft (23,86%) und Apple (18,30%), repräsentiert das zukünftig, zu erwartende Wachstum, der vergleichsweise jungen Unternehmen, wie Tesla und Meta. Weder Tesla, Meta, Nvidia und auch nicht Amazon werden ihr aktuelles Kurswachstum über die nächsten Jahre in gleicher Höhe dauerhaft fortschreiben können.
- Auch minimale Investments von nur 1.000 USD können ein großes Vermögen erwirtschaften, wenn der Anlagehorizont entsprechend lang ist und das Unternehmen sich entsprechend entwickelt. Berechtigterweise muss man an dieser Stelle einwenden, dass der betreffende Investor dabei quasi über hellseherische Fähigkeiten verfügen muss. Den Erfolg einer Apple oder Microsoft Aktie am IPO Tag vorauszusehen, dürfte eigentlich schier unmöglich sein. Oft fragt sich gerade der Börsenanfänger, wieviel Geld er in seine jeweiligen Positionen stecken sollte, ehe er beginnt, eine neue Position aufzubauen. Eine Position in Höhe von 1000 USD reicht aus, wenn denn der Atem lang genug ist und die Auswahl passt.
- Kleinere frühe Investments in Höhe von 1.000 USD, kann man z.B. auf mehrere, aussichtsreiche, junge Aktiengesellschaften verteilen und hoffen, dass der eine oder andere großen Erfolg dabei ist. Dieser entschädigt nicht nur, sondern überkompensiert alle möglicherweise angefallenen Verluste. Es muss jedoch noch einmal betont werden, dass wir dies nicht als eine geeignete Anfängerstrategie ansehen. Bei Anfängern sollte der Fokus immer auf den Dividendeneinkünften (Passive Income) liegen. Die Erhöhung der eigenen Sparquote mithilfe von erhaltenen Dividenden hat absolute Priorität vor allen anderen Strategien.

Spezifische Erkenntnisse
Amazon (31,62%), Nvidia (35,48%) und Tesla (44,65%) sind mit ihren jährlichen Kurswachstumsraten die unbestrittenen Wachstumsgiganten. Zu berücksichtigen wäre dabei, die kurze Zeitspanne, über die Tesla gewachsen ist. Das Kurswachstum von Tesla ist sicherlich absolut phänomenal. Vor dem Hintergrund, der aktuellen Tesla Absatzschwäche, der mangelnden Modellpflege, der schleppenden Modelinnovation sowie der kontraproduktiven medialen Einlassungen von Elon Musk, kann man sich aber auch fragen, wie und ob dieses Wachstum so weiter fortgeschrieben werden kann. Technisch gesehen hat Tesla den Klub der Aktiengesellschaften, die über eine Marktkapitalisierung von mehr als eine Trillion1) USD verfügen, in der kürzesten Zeit erreicht. Günstig bewertet ist diese Aktie aber keinesfalls. Das gilt aber auch mit Differenzierungen für unsere anderen Kandidaten.
Was aber bedeutet all dies für einen Anleger, der ernsthaft darüber nachdenkt, in einen dieser Werte zu investieren? Mit wieviel Kurswachstum wird er noch rechnen können? Genau dies wollen wir im Teil 2 versuchen, zu beantworten.
1) entspricht Billion in Euro
Hinweis:
Retail Investor ist im Besitz von Amazon, Alphabet, Nvidia, Apple und Microsoft Aktien. Es werden keinerlei Derivate – Optionsscheine, Hebel-Zertifikate – gehalten.
Hinweis:
Jeder Artikel gibt die persönliche Meinung des jeweiligen Verfassers wieder. Diese ist das Ergebnis eigener Recherchen, die nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine Wertpapierberatung bzw. Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren. Vorsorglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erwerb von Wertpapieren mit gewissen Risiken verbunden ist, mit Risiken, die im schlimmsten Fall zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können.
Es wird ferner darauf verwiesen, dass Wertpapierkäufe auf sorgfältige eigene Analysen und Recherchen gegründet sein sollten. Weder Retail Investor noch der/die Verfasser eines Artikels haften für etwaig entstandene Verluste.
Retail Investor – Klaus-Uwe Becker
Teil 2
von Klaus-Uwe Becker, 24.01.2025
Die Muster der Vergangenheit
In seinem Buch – Same as Ever – schreibt der Autor M. Housel, „Typischerweise versuchen wir, die Geheimnisse einer dunklen Zukunft zu ergründen, indem wir noch weiter nach vorn blicken und noch genauer hinschauen – indem wir aufgrund von noch mehr Daten und Erkenntnissen prognostizieren. Dabei wäre das Gegenteil weit effektiver: den Blick zurückzuwenden und die großen Züge der Vergangenheit zu betrachten.“2) Housel animiert uns, die großen Strukturen und Muster zu betrachten, die sich in der Vergangenheit unerbittlich wiederholten und somit als Vorlage für zukünftige Entwicklungen dienen können. Genau dies werden wir u.a. tun, um die Frage zu beantworten, ob sich ein später Einstieg in die Magnificent Seven noch lohnt.
Unser Blick führt uns dabei zurück in die 1970er Jahre. Wir werden uns mit der Frage beschäftigen, wie die damaligen Börsen-Highflyer, die Corporate Leaders, sich über die nachfolgenden Dekaden entwickelt haben.
2)Morgan Housel, Same as Ever, S. 223 ISBN 978-3-95972-718-1

Die Nifty Fifty als Blaupause
In der nachfolgenden Tabelle 3 (Tab. 3) haben wir die Entwicklung von 12 sogenannter Nifty Fifty Aktiengesellschaften analysiert. Mit dieser Bezeichnung ist nicht der aktuelle indische Börsenindex gleichen Namens gemeint.
In den Vereinigten Staaten war der Begriff Nifty Fifty in den 1960er und 1970er Jahren eine informelle Bezeichnung für eine Gruppe von etwa fünfzig Large-Cap-Aktien an der New Yorker Börse. Diese wurden weithin als solide Buy-and-Hold-Wachstumsaktien oder „Blue-Chip“-Aktien angesehen. Von Historikern wird ihnen zugeschrieben, dass sie den Bullenmarkt der frühen 1970er Jahre vorangetrieben haben. Ihr anschließender Absturz und ihre Underperformance in den frühen 1980er Jahren, dient uns hier als historisches Muster dafür, was nach einer längeren Zeitphase der Überbewertung passieren kann. Eine Phase, in der fundamental hohe Aktienbewertungskennzahlen ignoriert wurden und die Investoren ihre Entscheidungen auf der Grundlage der öffentlichen Stimmung trafen.
Unsere Arbeitshypothese lautet, dass die Magnificent Seven Aktien sich aktuell in einer ähnlichen Bullenmarktsituation und Überbewertung befinden, wie die Nifty Fifty in den frühen 1970er Jahren; dass ihre nachfolgende Entwicklung als Vorlage für die zukünftige Entwicklung der Magnificent Seven dienen kann.

Unsere Methodik
Bei unserer Analyse haben wir die verfügbaren Kurse aus dem Jahr 1972 zugrunde gelegt (Quelle: Yahoo Finance US). Das haben wir aus zweierlei Gründen gemacht. In den Jahren 1973 -74 gab es, wie bereits erwähnt, einen veritablen Stock Market Crash, dessen Auswirkungen bis 1982 zu spüren waren. In den 694 Tagen zwischen dem 11.01.73 und dem 06.12.74 verlor der Dow Jones Industrial Average Stock Index über 45% seines Wertes. Das war der siebtgrößte Verlust der Börsengeschichte. Im Jahr 1972 hatte er noch um 15% zugelegt und man ging davon aus, dass das nachfolgende Jahr 1973 sogar noch besser verlaufen würde.
Mit unserer Wahl des Analysezeitraums haben wir somit den denkbar schlechtesten Ausgangszeitpunkt gewählt. Der zweite Grund für die Wahl dieses Zeitraums ist schlichtweg ein pragmatischer. Die Yahoo Finance Datenbanken reichen für die meisten der untersuchten Unternehmen lediglich bis zu dem von uns gewählten Anfangsdatum zurück. Ich denke, dass man sich vor diesen Hintergründen den Vorwurf des Cherry Pickings – also ausschließlich eine Positivauslese vorgenommen zu haben – ersparen kann.
Warum 12 Unternehmen?
Unsere Investmenthypothese war, in alle dieser ca. 50 Nifty Fifty AGs den Betrag von 1.000 USD investiert zu haben. Gut die Hälfte dieser Unternehmen ist jedoch auf dem Weg ins Jahr 2024 entweder insolvent geworden oder übernommen worden (siehe Anhang Nifty Fifty). Da wir in alle führenden AGs investiert waren, sind die unten aufgelisteten Firmen zwangsläufig Bestandteil des Depots der überlebenden Firmen.
Es ist von absoluter Bedeutung, dass es über unsere überlebenden Firmen hinaus weitere sogenannte Survivor AGs gibt, die wir gar nicht in unsere Berechnung übernommen haben. Dazu zählen z.B.: Baxter International, Black & Decker, Dow Chemical, Gilette, General Electric, Halliburton, International Flavors and Fragrances, Lubrizol sowie Johnson & Johnson, McDonald’s, Procter & Gamble, Altria (Philip Morris) und Schlumberger. Einige dieser AGs wurden von Mitbewerbern übernommen, andere wie z.B. Johnson & Johnson, McDonald’s und Procter & Gamble haben eine hervorragende Performance hingelegt, die nicht in unsere Berechnungen eingeflossen ist.
Unser Investmentergebnis würde also noch ganz erheblich übertroffen werden, wenn die Performance dieser Unternehmen ebenfalls berücksichtigt worden wäre.

Die Lehren der Vergangenheit und eine daraus resultierende Strategie
Bedenkt man, dass die Investmentsumme in Corporate Leaders nur ca. 10% des Gesamtdepotwertes betragen sollte, könnte ein Kleinanleger zwischen 1.000 und 2.500 USD in 10 – 20 ausgewiesene Corporate Leaders investieren. Selbst eine Strategie, die daraus besteht, sich in jedem Jahr nur in zwei marktbeherrschende AGs mit jeweils 1.000 USD einzukaufen, führt über die Jahre, zu einem beachtlichen Ergebnis.
Dabei kann man temporär in Ungnade gefallene Leader oft zu günstigen Kursen kaufen, wenn man den Markt systematisch beobachtet. Bei Microsoft hätte man sich so z.B. von 2003 bis 2015 Zeit lassen können und sich bequem zu Kursen zwischen 23 – 40 USD eindecken können. In der Steve Ballmer Ära, von 2000 -2015, wurde Microsoft von vielen Experten abgeschrieben. Wäre dies korrekt gewesen, hätte unser Investor sein Investment im schlimmsten Fall komplett abschreiben müssen. Er hätte also 1.000 bzw. 2.500 USD als Verlust zu verbuchen gehabt. Andersherum wäre selbst bei einem suboptimalen Einstandskurs von 40 USD, sein Vermögen auf 10.537,50 bzw. 26.343,75 USD (Kurs zum 31.12.2024) angewachsen.
Auch eine Nvidia weist eine ähnliche, nicht lineare Entwicklung auf. Zwischen 2007 – 2016 hätte man sie zu Kursen zwischen 7,60 und 35,60 kaufen können, woraus sich bei einem Kaufkurs von 40 USD die Summen von 134.290 USD (bei einem Einmalinvestment von 1.000 USD) bzw. 335.500 USD1) (bei einem Einmalinvestment von 2.500 USD) entwickelt hätten. Spätestens 2016 war die Marktdominanz von Nvidia im Bereich der Grafikarten allgemein bekannt. Mit aussichtsreichen Kandidaten für den zukünftigen Titel der Marktführerschaft werden wir uns in einem der nächsten Artikel befassen.
1) Kurs zum 31.12.2024
Weitere Risk-Reward Abwägungen
Wären unter den 10 von unserem Investor ausgewählten Nifty Fifty-Marktführern nur zwei Treffer wie AXP oder LLY dabei, ergäbe sich bei einem Anfangsinvestment von jeweils 2.500 USD nach 53 Jahren ein Vermögen von 2.142.719,32 USD (LLY) plus 595.882,35 USD (AXP). Bei dieser Berechnung wurden die jeweilig anfallenden Dividenden reinvestiert. Erzielte man also zwei derartige Treffer, könnten alle anderen Investitionen vollkommen den Bach hinuntergehen. Unser Investor verfügte immer noch über ein Guthaben in Höhe von 2.738.601,67 USD. Davon müsste er die angefallenen Totalverluste, die die übrigen Unternehmen gemacht haben müssten, in Höhe von 20.000 USD subtrahieren.
Hätte man in 50 Nifty Fifty Werte jeweils 2.500 USD investiert und alle übrigen Werte, mit Ausnahme von LLY und AXP, wären vollkommen wertlos geworden, müsste der o.a. Gewinn um insgesamt 125.000 USD reduziert werden. Unter dem Strich verbliebe eine Nettorendite von 6,00% über 53 Jahre (Dividenden reinvestiert). Die aus diesem Investment resultierenden Aktien würden eine Jahresdividende von gut 20.000 USD (Brutto vor Steuern) abwerfen.
Wie die reale Geschichte (siehe Tab. 4) beweist, ist das Konkursrisiko ganz erheblich geringer. Die Tabelle zeigt die Anzahl der bis heute überlebenden Unternehmen (Survivors), diejenigen, die von einer anderen Firma übernommen wurden (Übernahmen) und die Anzahl der Konkurse. Die Entwicklung einer Firma, namens Lousiana Land & Exploration, konnte nicht eindeutig geklärt werden.

Gut 47% der Unternehmen haben den von uns analysierten Zeitraum von 53 Jahren als eigenständige Firma überlebt. Die 19 Firmenübernahmen dürfen jedoch keinesfalls als Komplettverlust verbucht werden. Entweder erhielten die Aktionäre eine Barabfindung oder aber Aktien der übernehmenden Aktiengesellschaft.
Addiert man zur Anzahl der Survivor Firmen, die der übernommenen Unternehmen, käme man auf ein Konkursrisiko von nur noch 15,69%. Das dürfte vor dem Hintergrund der realen Entwicklung dieser Aktiengesellschaften ein mehr als akzeptables Risk-Reward-Verhältnis darstellen.

Grundsätzliche Erkenntnisse
Schaut man sich die Tab. 3 noch einmal etwas genauer an, kommt man zu einer ganzen Reihe grundlegender Erkenntnisse, die vielen Menschen nicht bewusst sind.
- Der phänomenale Turbo-Effekt von reinvestierten Dividenden
Gut zu sehen ist dieser Effekt bei LLY. Hier stehen gut 190.000 USD einem Endvermögen von fast 860.000 USD gegenüber. Reinvestierte Dividenden erhöhen das Vermögen um mehr als den Faktor 4 und das, obwohl die Renditedifferenz von 3,18% für unsere ungeübten, Zinseszins-unempfindlichen Augen relativ gering zu sein scheint. Selbst bei den am schlechtesten abschneidenden Werten, wie IBM und MMM, ist dieser Effekt noch gut zu beobachten. Bei ihnen blasen die reinvestierten Dividenden das Endvermögen sogar noch um den Faktor 5 (MMM) bzw. 4,5 (IBM) auf.
- Die Bedeutung des Skaleneffekts, also die Beziehung zwischen Input und Output
Mit Ausnahme von MMM und IBM hätten alle Investments wenigstens zum einfachen Millionärsstatus geführt, wenn der ursprüngliche Anlagebetrag bei 10.000 USD gelegen hätte (Dividenden reinvestiert). Bei den übrigen Unternehmen liegt die Vermögensbandbreite zwischen 1,2- bis 8,5 Millionen USD. Dass sich bei einem 10.000er Investment in Walmart ein Vermögen von gut 90 Millionen USD ergeben hätte, nehmen wir beiläufig und mit Erstaunen zur Kenntnis.
- Die unfassbare Bedeutung eines langen Anlagehorizonts
Eigentlich schwebt dieser triviale Faktor, der aber für viele kaum nachvollziehbar ist, über allen anderen Erkenntnissen. Denn Zeit und Zinseszins sind die mächtigen Helfer auf dem Weg zu großem Vermögen. Das gilt insbesondere für Kleinanleger, deren Hebel, das Anfangskapital, klein ist. Das ist eine Weisheit, die nicht oft genug wiederholt werden kann und ein Hauptgarant für den Erfolg ist. Vor dem Hintergrund des von uns gewählten Anlagehorizonts von über 50 Jahren bedeutet dies aber auch, dass das Bewusstsein dafür bereits in jungen Jahren entwickelt sein muss. Es muss vor allem auch aktiv gelebt und durchgehalten werden.
Vor diesem Ergebnishintergrund erstaunt es immer wieder, dass lange Anlagehorizonte, sogenannte Buy-and-Hold Strategien, von vielen als altmodisch und unrealistisch angesehen werden.
- Auch kleine Investmentsummen können Großes bewirken
Über die Zeit ist mit viel Geduld, etwas Kapital und Sachkenntnis ein materieller Aufstieg auch jenseits der Selbständigkeit und einer steilen beruflichen Karriere möglich. Diese Karrieremöglichkeit hat allerdings gesellschaftlich gesehen einen absolut unterbelichteten Stellenwert und wird von Teilen der Gesellschaft sogar negativ konnotiert. Sie führt u.a. auch deshalb allenfalls ein Schattendasein im durchschnittlichen Lebensalltag der Menschen. Vor dem Hintergrund der anstehenden gesellschaftlichen Probleme bleibt zu hoffen, dass sich das ändert.

Wir sind der Ansicht, dass die Nifty Fifty als perfekte historische Blaupause für die heutigen Magnificent Seven dienen können. Wem dieser Vergleich zu singulär ist, wer eine These, die sich lediglich auf ein Beispiel stützt, als zu gewagt ansieht, dem sei entgegengehalten, dass unsere Ergebnisse auch durch die Entwicklung des Voya Corporate Leaders Fund Series B aus dem Jahr 1935 gestützt werden. Dieser US-amerikanische Fonds, der 1935 ausschließlich in die damaligen Corporate Leaders investierte, weist eine jährliche Performance von rund 10% bis zum heutigen Tag auf. Er zeichnet sich dadurch aus, dass seit dessen Gründung im Jahre 1935 keinerlei Zukäufe getätigt wurden durften. Bestandteil des Fonds sind also ausschließlich die ursprünglichen Marktführer aus dem Jahr 1935, deren Nachfolgefirmen, bzw. die Unternehmen, die per Aktientausch eine Originalfirma übernommen haben. Wenn man es despektierlich ausdrücken möchte, könnte man hierbei von einer Unternehmens-Mottenkiste sprechen.
Was von den Mag Seven langfristig noch zu erwarten ist
Ähnlich wie bei den Nifty Fifty, erwarten wir für die nächsten 2 – 3 Dekaden mindestens durchschnittliche jährliche Kurswachstumsraten zwischen 5% und 10%. Dabei ist zu hoffen, dass der eine oder andere Ausreißer, wie z.B. Walmart bei den Nifty Fifty, mit 15 – 18% Wachstum dabei ist. Bei dieser Prognose gehen wir nicht von reinvestierten Dividenden aus. Beziehen wir diese in unsere Voraussage mit ein, dürfte sich die Kurswachstumsbandbreite auf einen Korridor von 8% bis 14% signifikant erhöhen.
Ferner rechnen wir damit, dass alle Mag Seven in ansehbarer Zeit zu halbwegs attraktiven Dividendenzahlern werden. Diese Entwicklung hat bei Microsoft und Apple bereits vor einigen Jahren eingesetzt. Meta, Nvidia und Alphabet sind erst kürzlich dazugestoßen. Mit den Jahren werden sich diese aktuell nur symbolischen Dividendenrenditen positiv entwickeln.
Die Anlagestrategie
Unsere Grundhypothese, die wir beweisen wollten, sieht folgendermaßen aus. Einst den Markt dominierende, extrem hoch bewertete Aktiengesellschaften, können auch nachdem sie Bestandteil eines Börsencrashs waren, für geduldige Anleger mit langem Anlagehorizont attraktive und sichere Investments sein. Bei dieser Strategie handelt es sich unserer Auffassung nach, um eine zusätzliche, relativ sichere Rückabsicherung gegen ein Totalversagen der ansonsten getätigten eigenen Investments.
Eine breite Streuung in die jeweiligen Marktführer, die sich innerhalb einer oder zweier Dekaden herauskristallisiert haben, dürfte mit hoher Sicherheit solide Erträge hervorbringen, wenn man denn über einen sehr langen Anlagehorizont verfügt. Es ist anzunehmen, dass diese wenigstens im Bereich des statistischen Durchschnitts liegen dürften.
Unsere Kurzeinschätzung der Mag Seven
Aktuell sehen wir Amazon, Alphabet, Nvidia aber auch Microsoft und Meta als die interessantesten Unternehmen dieser Gruppe an. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre vielseitigen Geschäftsfelder aus. So sind sie führend bei der Umsetzung von KI und halten wesentliche Anteile am Cloud-Geschäft. Darüber hinaus hat jedes Unternehmen noch seine eigenen Vorteile und Geschäftsfelder. Bei Alphabet gefällt die Kompetenz im Bereich autonome Autos (Project Driverless Cars) – sprich Waymo, die öffentlich weniger beachteten Projekte im Bereich der Biotechnologie sowie das umfangreiche Beteiligungsportfolio. Aber auch YouTube sowie das traditionelle Werbe- und Suchmaschinengeschäft ist bedeutungsvoll.
Neben dem bereits erwähnten Cloud Geschäft, gefällt die breite Aufstellung von Amazon als Amazon Pay, Prime, Dash, Go, Music, Video, Advertising. Aber auch Amazon Robotics ist natürlich neben dem Cloud Segment und der KI von großer Bedeutung.

Auch Microsoft weist ein ähnlich diversifiziertes Geschäftsfeldspektrum auf. An diesem Unternehmen mögen wir ganz besonders, wie um- und weitsichtig der aktuelle CEO, Satya Nadella, die Aktiengesellschaft führt.
Bei Tesla sind wir hingegen aus unterschiedlichen Gründen skeptisch. Auch wenn das der Wert mit der eindrucksvollsten Kurswachstumsrate ist, überwiegen unserer Auffassung nach, die Nachteile. Eine mangelhafte Modellpflege und Verarbeitungsqualität stößt auf zurückgehende Umsätze. Musks aktuelles Engagement in der US-Regierung sichert ihm zwar momentanen wirtschaftlichen Einfluss, stößt allerdings bei vielen Käufern auch auf Ablehnung. Zudem sind seine öffentlichen Einlassungen bei Teilen der Kundschaft, gelinde gesagt, nicht gerade besonders populär. Teslas angebliche Dominanz beim autonomen Fahren ist nicht wirklich gegeben. Ob die angepeilte selbstfahrende Tesla-Autoflotte ein derartig großer Erfolg wird, der alle anderen Defizite überkompensiert, ist fraglich.
Autonomie für alle, dürfte in dieser Absolutheit ein Wunschtraum bleiben. Im hochgelobten Robotics Segment ist Tesla ganz sicher nicht ohne kompetente Konkurrenz, Boston Dynamics (Hyundai) lässt z.B. grüßen.
Bei Apple fehlt uns aktuell das innovative Element. Das Unternehmen ist zwar breit aufgestellt, hat in den letzten Jahren aber im Wesentlichen auf die Optimierung bestehender Produkte gesetzt. Die große Vision, die neue Umsatzsprünge bringen soll, ist nicht wirklich deutlich erkennbar. Das wurde kürzlich sogar öffentlich von Mark Zuckerberg, dem CEO von Meta, kritisiert.
Auch bei Meta, dem am schlechtesten performenden jungen Wert, ergibt sich kein eindeutiges Bild. Exzellente Werbeeinnahmen paaren sich mit Flops. Die euphorischen Erwartungen, die mit dem Metaverse verbunden waren, haben sich bisher nur in rudimentären Ansätzen materialisiert.
Ca. 98% von Metas Einkünften sind direkt oder indirekt auf das Werbegeschäft zurückzuführen (Facebook, Instagram, WhatsApp, Threads, and Facebook Messenger). Dabei verdient das Unternehmen derartig gut (Cash Reserven: rund 71 Mrd. USD), dass es sich locker leisten kann, seine AI Ambitionen, die generative AI
Plattform namens Llama, als einziger der großen Konzerne kostenfrei anzubieten. Zudem nimmt Meta extrem viel Geld in die Hand, um sich zum AI-Marktführer aufzuschwingen. Über die Llama-Plattform will das Unternehmen an Informationen zum Userverhalten kommen, aber auch an werbetechnisch verwertbare Kundendaten. Geht diese Wette auf, dürften die Aktionäre davon in ganz erheblichem Maß profitieren.
Es könnte in diesem Jahr bei Meta aber zu einer anderen interessanten Veränderung kommen. Durchaus vorstellbar ist die Durchführung eines Stock Splits. Meta ist die einzige Aktiengesellschaft unter den Mag Seven, die bisher noch keinen Split vorzuweisen hat. Damit ist sie optisch die teuerste Aktie. Ein Stock Split würde dies korrigieren und den Kurs auch für Aktionäre mit wenig Kapital attraktiv machen.
An schwachen Börsentagen können wir uns Engagements in Alphabet, Amazon, Microsoft, Meta und auch Nvidia vorstellen. Mit dem Kauf von Tesla Aktien tun wir uns ziemlich schwer. Apple könnte bei größeren Kurseinbrüchen interessant werden. Tesla würden wir hingegen aus grundsätzlichen Überlegungen meiden. Wir sind hier auch der Ansicht, dass es zwischen Musk und Trump früher oder später zum Zerwürfnis kommen dürfte. Zwei derartig ausgeprägte Egomanen werden kaum langfristig kooperieren können.
Im Teil drei dieser Artikelreihe werden wir unseren Finger in eine Wund legen, die Investoren bereits am Anfang ihrer Börsenkarriere vermeiden können, ja sollten. Wird sie zu spät bemerkt, verursacht sie beim Investor ganz erhebliche Schmerzen und Nachteile.

Disclaimer:
Jeder Artikel gibt die persönliche Meinung des jeweiligen Verfassers wieder. Diese ist das Ergebnis eigener Recherchen, die nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine Wertpapierberatung bzw. Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren. Vorsorglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erwerb von Wertpapieren mit gewissen Risiken verbunden ist, mit Risiken, die im schlimmsten Fall zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können.
Es wird ferner darauf verwiesen, dass Wertpapierkäufe auf sorgfältige eigene Analysen und Recherchen gegründet sein sollten. Weder Retail Investor noch der/die Verfasser eines Artikels haften für etwaig entstandene Verluste.
Retail Investor – Klaus-Uwe Becke
Hinweis:
Retail Investor hält Aktien von Amazon, Alphabet, Apple, Microsoft, Nvidia. Zukäufe sind möglich, Verkaufe sind nicht geplant und kaum vorstellbar.