Dividendenpower für das Depot

retail investor

Pfizer, Merck & Co und Bristol Myers Squibb im Vergleich

von Klaus-Uwe Becker, 28.08.2025

Dividendenwerte sind die Seele des Geschäfts für Kleinanleger. Dividenden sind die Basis des passiven Einkommens, dass dazu verwendet wird, das Investitionsvolumen zu erhöhen, also den monatlichen Sparbetrag in die Höhe zu treiben, ohne die Sparquote, die aus dem eignen Verdienst resultiert, erhöhen zu müssen. Da dies ein langer Weg ist – ein dickes Brett, welches gebohrt werden muss – sind Aktiengesellschaften mit einer überdurchschnittlich hohen Dividendenrendite natürlich ganz besonders interessant für uns. Die Maxime – je höher umso besser – gilt allerdings nur sehr eingeschränkt. Eine extrem hohe Dividende kann meist nicht über einen längeren Zeitraum vom Unternehmen aufrechterhalten werden und deutet auf ein größeres wirtschaftliches Problem hin.

In der Regel resultiert die hohe Dividendenrendite aus einem beträchtlichen Kursrückgang, der nicht grundlos erfolgt ist. Es existieren entweder akute wirtschaftliche Probleme auf der Unternehmensseite, spezifischer politischer Gegenwind oder grundsätzliche, konjunkturell bedingte Bedenken. Die sich darauf gründende Skepsis und Unsicherheit der Anleger lässt die Kurse in einer Talsohle verweilen. Die Anleger fragen sich oder bezweifeln, ob das Unternehmen diese Probleme lösen können wird. Diese undurchsichtige Situation bietet ungeahnte Chancen für langfristig orientierte Anleger. Allerdings gehen diese Chancen auch mit gewissen Risiken einher.

Analyse der Gemengelage

Genau diese beschriebene Gemengelage finden wir bei den von uns vorgestellten Aktien dreier Pharmagiganten vor. Sowohl Pfizer (PFE) als auch Merck & Co. (MRK) sowie auch Bristol Myers Squibb (BMY) befinden sich in einer Phase der Neuaufstellung bzw. Neuorientierung. Der Patentschutz für wichtige, umsatzstarke Medikamente läuft aus. Ob die sich in der Entwicklung befindlichen Wirkstoffe den erwarteten Umsatzrückgang kompensieren können, ist nicht immer klar ersichtlich.

Zu dieser allgemeinen Unsicherheit gesellen sich aktuell noch politische Probleme, wie z.B. der Trump/Kennedy-Faktor. Zum einen möchte dieses Duo, bestehend aus Präsident und Gesundheitsminister, Medikamente, die in die USA importiert werden, mit einer Steuer belegen, zum anderen besteht aber auch der politische Wille, die Medikamentenpreise für US-Bürger grundsätzlich zu senken. Dazu muss man wissen, dass US-Amerikanern im großenDurchschnitt höhere Medikamentenpreise abverlangt werden, als dies z.B. bei Europäern der Fall ist. Trump will das ändern.

Pillen weiss Grafik 1
Grafik: D. Mark

Am 31.07.2025 ging ein Brief des Weißen Hauses an die führenden internationalen Pharma-Konzerne. Darin werden die Unternehmen ultimativ aufgefordert, ihre US-amerikanischen Medikamentenpreise an den niedrigsten Preis anzupassen, der in anderen entwickelten Ländern gültig ist. Selbstredend befinden sich auch unsere drei empfohlenen Pharmawerte auf Trumps Adressatenliste.

Mit dem Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der sich mehrfach öffentlich als überzeugter Impfgegner geoutet hat, schwebt dazu noch eine zusätzliche, spezielle dunkle Wolke über zwei unserer Empfehlungen. Erst vor einigen Tagen hat das US Department of Health and Human Services (HHS) bekanntgegeben, dass es die Förderung zur Entwicklung von mRNA-Impfstoffen aufgeben wird. Pfizer wäre von dieser Maßnahme direkt, Merck & Co indirekt betroffen. Fördergelder in Höhe von insgesamt ca. 0,5 Mrd. USD würden somit vollständig eingedampft.

Sowohl Pfizer (Covid Impfstoff – Comirnaty) als auch Merck & Co. sind Zulieferer bzw. Hersteller von Impfstoffen. Letzterer liefert die benötigten Lipide und unterstützt zudem weltweit über 50 Impfstoffprojekte.

Bewertung im Vergleich

Alle drei Pharmaunternehmen notieren zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das aussieht, als ob sie kurz vor dem Konkurs stünden. Die Pharmaunternehmen AbbVie und Amgen weisen z.B. mit 14,57 bzw. 13,69 keine stellaren KGVs (Basis geschätzter Gewinn 2026) auf, liegen aber zumindest in der Bandbreite dessen, was normal ist. Eine Eli Lilly weist dagegen 23,21 (Stand: 15.08.25) auf.

Sowohl für BMY, MRK als auch für PFE haben wir zur KGV-Berechnung die durchschnittliche Gewinnschätzung des Verdiensts pro Aktie (EPS) für das Jahr 2026 angesetzt (EPS 2026 est. = erster Wert in Tab. 1 – aber auch die höchste Schätzung = zweiter Wert).

Zum Vergleich haben wir die entsprechenden KGVs von Amgen, Vertex und AbbVie dagegengestellt. Diese Werte stehen für eine durchschnittliche Bewertung von Pharmaunternehmen. Mit KGVs zwischen 7 und 8 notieren unsere drei Pharmakonzerne zu einer gut 50%-igen Unterbewertung (Tab. 1 grüne Zeile) gegenüber Amgen und AbbVie (Tab. 1 rote Zeile). Im Vergleich zu Vertex fällt diese Unterbewertung sogar noch erheblich größer aus.

Tab 1 Grafik 2

Pipeline Vergleich

Vergleicht man die Wirkstoff-Pipelines unserer drei Kandidaten (Tab. 2), wird deutlich, dass BMY quantitativ eine Führungsrolle einnimmt. Allerdings verfügt das Unternehmen auch über die geringste Anzahl von Wirkstoffen in Phase 3. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Wartezeit auf eine deutlich wahrnehmbare Umsatzsteigerung am größten sein dürfte.

Der nachfolgende Zeitstrahl, stellt die durchschnittliche Dauer der Phase 3 klinischer Studien und des anschließenden Zulassungsprozesses dar:

Tab. 2 Grafik 3
Grafik: KI

Phase 3: ca. 3,5 Jahre (Mittelwert aus 2–5 Jahren)

Zulassung: ca. 1 Jahr

Ungefähr drei bis sechs Jahre dürften im statistischen Durchschnitt vergehen, ehe die neuen Wirkstoffe aus der heutigen Phase 2 auf den Markt gelangen. Auch dann wird es noch ein bis zwei Jahre dauern, ehe ein ansehnliches Umsatzniveau erreicht sein dürfte. Kalkuliert man noch die Wahrscheinlichkeit ein, dass ca. 50% aller Phase-3-Wirkstoffe beim Zulassungsprozess scheitern, dürfte sich ein hohes Maß an Ernüchterung bei potenziellen Investoren einstellen. 

Von ganz erheblicher Bedeutung ist auch die Frage, wie viele potenzielle Blockbuster Wirkstoffe (Umsatz über 1 Mrd.) sich in den jeweiligen Pipelines befinden. Das gesichert vorherzusagen, fällt auch professionellen Analysten schwer. Wir würden uns hier auf die These zurückziehen wollen, dass sich unter derartig vielen Pipeline-Kandidaten wohl auch das eine oder andere Blockbuster-Medikament befinden müsste.

Tab 3 Grafik 4

Was uns als langfristig ausgerichtete Investoren jedoch besonders beeindruckt hat, sind die über 100 Phase-1-Wirkstoffe von MRK und BMY. Spiegelt sich darin doch die ferne Unternehmenszukunft wider. Natürlich ist uns klar, dass sich diese erst einmal beeindruckend hohe Zahl auf dem Weg zur Zulassung locker auf zehn Phase-3-Kandidaten reduzieren dürfte, die dann eine 50%-ige Chance auf Zulassung haben. Auf dem langen Weg zur Zulassung wird diese Phase-1-Pipeline jedoch mit absoluter Sicherheit einer ständigen innovativen Frischzellenkur unterzogen werden.

Warum Pfizer?

Dividende

Dass bei diesem Unternehmen allein die Dividendenrendite von 7% extrem reizvoll ist, müssen wir nicht betonen. Dass sie zudem auch gesichert ist, wissen wir spätestens seit dem letzten Quartalsbericht (Q2).

Pfizer Logo
Artwork: D. Mark

Die Einkünfte für das zweite Quartal 2025 stiegen um 10% im Vergleich zum Vorjahr. Das vorausgesagte EPS von 0,58 USD wurde mit 0,78 USD locker um mehr als 30% übertroffen. Die Gewinnerwartung für das gesamte Jahr 2025 wurde angehoben. Pfizers Restrukturierungsmaßnahmen zeigen erste Erfolge. Allerdings gilt zu bedenken, dass das Unternehmen gut 20% des Umsatzes über diverse Impfstoffe erzielt und damit dem regulatorischen Umfeld ausgesetzt ist, dass der bekennende Impfgegner R.F. Kennedy jr. neu definieren möchte.

 Pfizers Patent Cliff

Mit dem englischen Begriff Patent Cliff wird das Auslaufen des Patentschutzes für einen Wirkstoff bezeichnet. Dieser Schutz wird für eine Zeitspanne von 20 Jahren gewährt. Es ist jedoch zu beachten, dass die Entwicklungsdauer des Medikaments Bestandteil dieser 20-Jahres-Periode ist. Dadurch profitiert der Hersteller, abhängig von der Entwicklungsdauer, meist nur für einen Zeitraum von 7 bis 12 Jahren von dieser Exklusivität, die das Patent garantiert.

Die folgende Tabelle (Tab. 3) listet die Pfizer Wirkstoffe mit auslaufendem Patenschutz und den jeweiligen Jahresumsätzen für 2023 und 2024 auf. Auch das Jahr des auslaufenden Patentschutzes ist angegeben.

Tab 4 Grafik 5

Vor dem Hintergrund eines Jahresumsatzes von rund 63 Mrd. USD steht für Pfizer ein maximaler Umsatzverlust von 20,564 Mrd. USD (Umsatzvolumen 2024) auf dem Spiel. Allerdings verteilt sich der Patentauslauf über einen Zeitraum von 4 Jahren. Hinzu kommt, dass ein Patentauslauf nicht den Wegfall des kompletten Umsatzes für den betreffenden Wirkstoff nach sich zieht. Es handelt sich normalerweise eher um eine langsame Erosion, die sich über mehrere Jahre erstreckt.

 Akquisitionspolitik

Gegen diese vorhersehbare Situation wappnet sich Pfizer seit mehreren Jahren. Letztendlich handelt es sich um ein in regelmäßigen Abständen wiederkehrendes Phänomen, mit dem der Konzern, der am 17.01.1944 an die Börse gegangen ist, nicht zum ersten Mal konfrontiert ist.

Zukäufe aussichtsreicher kleinerer und mittelgroßer Biotech-Unternehmen sind das Standartmittel, um zurückgehende Umsätze zu kompensieren und eine neue Wachstumsphase einzuleiten.

Allein im Jahr 2022 kaufte man die folgenden 4 Unternehmen hinzu: Arena Pharmaceuticals ($6.7 Mrd.) ReViral ($0,525 Mrd), Biohaven Pharma ($11.6 Mrd.), and Global Blood Therapeutics ($5.4 Mrd.). 2023 erfolgte dann mit dem $43 Mrd. Zukauf von Seagen (vormals Seattle Genetics) vermutlich der absolute Befreiungsschlag für Pfizers Wirkstoffpipeline. Dass all diese Zukäufe eine gewisse Zeit benötigen, bis dass sich der Erfolg einstellt, sollte klar sein. Über diese Zukäufe macht sich Pfizer weitgehendst unabhängig vom Erfolg des mit der BioNTech SE entwickelten Covid Impfstoffs.

Auch Trumps Steuerabenteuer dürfte man kompensieren können. Dies behauptete Pfizer CEO, A. Bourla, zumindest bei der Vorstellung der Quartalsergebnisse. Zudem befindet sich Pfizers geschrumpfter Free Cash Flow wieder im Aufwärtstrend. Dazu kommen Kostenersparnisse, die sich bis 2027 auf insgesamt 7,7 Mrd. USD summieren sollen.

Gefolgt von Reinvestitionen in Wachstum und Aktienrückkäufen steht die Dividendenerhöhung auf der strategischen Prioritätenliste des Unternehmens an erster Stelle. All dies, sollte Anleger positiv stimmen. Unserer Einschätzung nach dürfte sich dieses eigentlich positive Szenario kurstechnisch jedoch erst bemerkbar machen, wenn die ersten unmissverständlichen Fakten in der Bilanz auftauchen. 

Erwartungshaltung

Über einen längeren Zeitraum von 3 – 5 Jahren sehen wir durchaus die Chance auf eine Kursverdopplung. Läge dieser bei einer Ausgangsbasis von $25,50 nach 5 Jahren bei $49, entspräche das einem durchschnittlichen, jährlichen Kurswachstum von 13,95% (Dividenden nicht berücksichtigt). Mit dieser Rendite ließe es sich gut leben. Und dies insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell mehr als satten Dividende, die uns die Wartezeit etwas angenehmer gestaltet.    

Bristol Myers Squibb

Bristol Myers Squibb Logo
Artwork: D. Mark

Mit einem für 2026 geschätzten Jahresumsatz von 43,4 Mrd. USD ist Bristol Myers Squibb (BMY) der umsatzschwächste Konzern. Wie auch die beiden anderen Kandidaten, hat man in den vergangenen Jahren zahlreiche Zukäufe getätigt. Fünf Akquisitionen im Wert von insgesamt gut 28 Mrd. USD wurden dabei im Zeitraum von 2022 – 2025 getätigt; allein drei im Jahr 2023. Wie wir bereits wissen, ist das der Weg, über den Pharmakonzerne versuchen, sich zukunftsfähig zu machen.

Das US-Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1887 zurückreichen, deckt die Bereiche Onkologie, Blutkrankheiten, Immunologie, kardiovaskuläre Krankheiten und Neurologie ab. Dabei resultiert die Ausrichtung auf Autoimmunkrankheiten aus der jüngeren Vergangenheit und bedeutet eine Erweiterung des Wirkstoffspektrums des Pharmakonzerns. Das ist erforderlich, weil BMY – wie allerdings auch Merck & Co. – ganz erheblicher Konkurrenz im Bereich der Krebs Wirkstoffe ausgesetzt ist. Sowohl das Opdivo-Imperium von BMY als auch das Keytruda-Imperium von MRK ist ernstzunehmenden Attacken vonseiten der vielschichtigen Konkurrenz ausgesetzt. Aus diesem Grund ist BMY in diesem Jahr auch eine vielbeachtete Kooperation mit dem deutschen Unternehmen BioNTech SE eingegangen (Bereich der Krebsmittel).

Auslaufender Patentschutz

Für das umsatzstarke Blutverdünnungsmittel Revlimid läuft in diesem Jahr der Patentschutz für BMY aus. Ab dem nächsten Jahr werden dann erheblich günstigere Generika auf den Markt gelangen. 2021 erbrachte Revlimid einen Jahresumsatz von 13 Mrd. USD. Dieser wird im aktuellen Geschäftsjahr auf ungefähr 3 Mrd. USD schrumpfen. 

Von großer Bedeutung wird für das Unternehmen sein, ob neue Produkte, wie z.B. Cobenfy, das Mittel gegen Schizophrenie oder Breyanzi, eine Zelltherapie gegen Lymphknotenvergrößerung, das Potenzial besitzen, entscheidend zu einem nachhaltigen Umsatzwachstum beizutragen. Selbst für professionelle Analysten ist das schwer zu kalkulieren.

Als nicht Mediziner ziehen wir uns wieder auf eine quantitative Beurteilung der Pipeline zurück. Diese ist, wie bereits gesehen (Tab. 2), umfangreich und langfristig erfolgversprechend.

Zudem ist die Kriegskasse – die Cash Reserven – mit 12 Mrd. USD ordentlich gefüllt. Auch wenn diesem Barbestand gut 51 Mrd. an Schulden gegenüberstehen, ist BMY, perspektivisch gesehen, noch für den einen oder anderen Zukauf gut.

Merck & Co und Keytruda

Die Merck & Co ist ein Konzern, dessen Wurzeln in Deutschland liegen, der allerdings keineswegs mit der deutschen Merck KG verwechselt werden sollte.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Merck Niederlassung in den USA. Ebenso wie zahlreiche andere deutsche Vermögenswerte wurde diese jedoch 1917, im Rahmen des Ersten Weltkriegs  konfisziert und arbeitet seitdem unabhängig vom deutschen Pharmakonzern mit dem gleichen Namen.

Merck Logo
Artwork: D. Mark

Das Krebsmedikament Keytruda ist für Merck & Co. von überproportional großer Bedeutung. Gut 8 Mrd. USD Umsatz generierte das Medikament allein im zweiten Quartal 2025 für den Konzern. Hochgerechnet entspricht das fast der Hälfte des für 2025 erwarteten Gesamtumsatzes von ca. 65 Mrd. USD. Fällt das Keytruda-Imperium, fällt Merck & Co. Das hört sich gefährlich an, ist es auch, bedarf allerdings einer gehörigen Portion an Relativierung.

Im Markt verbreitet eingesetzte Wirkstoffe, haben ein hohes Massenträgheitsmoment. Sie verschwinden selbst bei starker Konkurrenz nicht von heute auf morgen (siehe Tab. 4: Umsatzrückgang Humira – AbbVie). Meist ist es ein langsamer Erosionsprozess, der bei Keytruda schon eingesetzt hat.

Tab 5 Grafik 6

Die AbbVie Parallele

Mit dieser Situation ist MRK jedoch nicht allein, es ist quasi das Tagesgeschäft aller großen Pharmakonzerne. So war die Abhängigkeit des Pharmakonzerns AbbVie vom Erfolg des Wirkstoffes Humira noch extremer. Mit gut 20 Mrd. USD war Humira 2018 das umsatzstärkste Medikament weltweit und repräsentierte damit ca. 61% des Gesamtumsatzes von AbbVie. Jahrelang unterstellte die Börse dem Unternehmen die Unfähigkeit, sich aus dieser schwierigen Situation befreien zu können. Durch geschickte größere und kleinere Zukäufe wurde die Situation entschärft. Die Wirkstoffe Skyrizi und Rinvoq überkompensieren mittlerweile die langsame Umsatzerosion von Humira deutlich.

Eigene Erfahrung

In 2017 hat Retail Investor damit begonnen, eine größere AbbVie Position aufzubauen. Als Kleinanleger haben wir bis 2021 hinzugekauft und dabei einen durchschnittlichen Einstandspreis von 90,80 USD erzielt. Aktuell hat unsere Position einen Wert von 307.265,41 USD (Stand: 22.08.2025). Sie ist damit mit weit über 100% im Plus und erwirtschaftet eine Jahresdividende von 9.571,04 USD (vor Steuern). Für diesen Erfolg haben wir fast 5 Jahre regelmäßig hinzugekauft und auf ihn insgesamt 8 Jahre gewartet. 

Das sind die Perspektiven, mit denen wir operieren, derer man sich bewusst sein sollte. Selbstverständlich haben wir keinerlei Absicht, diese Position zu verkaufen, weil diese in einigen Jahren mehr als 300 USD pro Aktie wert sein dürfte. Selbst wenn sich AbbVie nur noch im Bereich eines schwachen Durchschnittswachstum von ca. 7% entwickelt – was wir allerdings nicht erwarten – würde sich unsere AbbVie-Position in 10 Jahren auf einen Betrag von über einer halben Million Euro erhöht haben. Eine ähnliche Entwicklung ist für unsere drei Pharmawerte auf lange Sicht nicht auszuschließen.

Keytrudas Gegener

Aber zurück zu Keytruda und Merck & Co. Bei Keytruda handelt es sich um einen PD-1 Inhibitor, der der Klasse der Checkpoint-Inhibitoren zuzurechnen ist. Es ist ein monoklonaler Hemmstoff, mit der Aufgabe versehen, den programmierten Zelltod zu blockieren. Sein Einsatzgebiet sind die T-Zellen des Menschen. Die natürliche Funktion, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören wird durch diesen Wirkstoff wiederhergestellt. Bereits 2014 ist Keytruda zugelassen worden und findet mittlerweile gegen mehr als 20 Tumortypen Verwendung.

Zwischenzeitlich ist jedoch der Checkpoint-Inhibitor-Markt gereift. Die zahlreich gewordene Konkurrenz, zu der u.a. auch Bristol Myers Squibb mit dem Wirkstoff Opdivo (ca. 10 Mrd. USD Umsatz) gehört, macht Boden gut. Wie nicht anders zu erwarten, wird Keytruda und damit Merck neben dem Auslaufen des Patentschutzes, welcher für 2028 angesetzt ist, auch durch den wissenschaftlichen Fortschritt bedroht.

Zu diesen Bedrohungen zählt auch der bispezifische Antikörper BNT327 den die BioNTech SE zusammen mit BMY entwickelt und zulassen möchte. Aber auch zahlreiche neue Ansätze, wie Kombinationstherapien mit neuartigen Checkpoint Inhibitoren, CAR-T Zelltherapien sowie die bereits erwähnten bispezifischen Antikörper stehen mehr oder weniger kurz vor der Zulassung. Natürlich wird der Markt für Merck nicht abrupt einbrechen. Es ist, wie bereits angedeutet, eine langsame Erosion des Umsatzes, die MRK bevorsteht.

 Gegenmaßnahmen

Aktuell versucht sich der Konzern diesem Umsatzrückgang durch neuartige Kombinationstherapien mit personalisierten Krebsimpfstoffen oder LAG-3 Blockern zu widersetzen. Auch über einen Biomarker-gesteuerten-Einsatz von Keytruda, bei dem man quasi über eine vorherige Selektion nur die Patienten für die Behandlung auswählt, die auf einen Wirkstoff positiv reagieren, versucht Merck den drohenden Umsatzverlust zu minimieren. Letztendlich wird auch an der Preisschraube gedreht. Dies schlägt sich allerdings auch negativ auf den Umsatz nieder.

In den letzten 5 Jahren hat Merck knapp 30 Mrd. USD in Übernahmen investiert. Die aktuelle Nettoverschuldung von 23 Mrd. USD ist als moderat zu anzusehen und lässt dem Unternehmen genügend Spielraum für weitere kleinere Übernahmen oder aber auch für eine größere Übernahme. Bei einem etwas geringerem Jahresumsatz (58 Mrd. USD) weist der Konkurrent AbbVie z.B. eine Nettoverschuldung von 61,6 Mrd. USD aus. Diese liegt leicht über dem Jahresumsatz des Konzerns. AbbVie haben wir mit Bedacht für diesen Vergleich ausgewählt, weil das Unternehmen exemplarisch für eine gelungene Neuerfindung steht.

Fazit

Müssten wir unter den drei Pharmaunternehmen eine Auswahl treffen, würde sie auf Pfizer fallen. Das Unternehmen zeigt erste, zarte Anzeichen einer neu entfachten Wachstumsphase, die sich in der nächsten Zeit verstetigen dürfte.

Wenn sich die düsteren Wolken Trumpscher Gesundheitspolitik etwas verzogen haben, könnte sich das auch in Form eines ersten Kursanstiegs in Richtung 30 USD-Kursgrenze niederschlagen.

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Grafik: D. Mark

An Pfizer gefällt uns, dass das Management bis 2030 über 10 Milliarden US-Dollar an risikoadjustierten Umsatzzuwächsen erwartet; ein Umsatzzuwachs, der allein aus der Seagen Übernahme im Jahre 2023 resultiert. Pfizer sieht darüber hinaus sogar noch weiteres Wachstumspotenzial. Pfizers große Hoffungsträger sind die Wirkstoffe Padcev und Elrexfio. Aktuell befinden sie sich in unterschiedlichen Phase-3-Studien zur Indikationserweiterung.

Merck & Co und Bristol Myers Squibb dürften erheblich mehr Zeit für ihren Turnaround benötigen und somit noch für eine längere Zeit zu günstigen Kursen zu erwerben sein. Allerdings könnte ein einzelner großer Zukauf dieses Szenario abrupt verändern. Als Kleinanleger muss man – so paradox das klingen mag – für eine lange Phase der Unterbewertung dankbar sein. Das gibt konsequent agierenden Anlegern die Chance, mit kleinen Sparquoten größere Positionen aufzubauen.   

Ein fundamentaler Unterschied, der uns von den meisten anderen Investoren unterscheidet, ist eben dieser langfristig ausgerichtete Anlagehorizont. Kurzfristige Kursgewinne interessieren uns weniger. Kursabschläge betrachten wir als Kaufanreiz, denn wir beteiligen uns am langfristigen Erfolg eines Unternehmens, das wir mitbesitzen wollen, wie eine eigene Firma.  Aus diesem Grund ist es für uns weniger wichtig, ob wir z.B. eine Pfizer Aktie zum Kurs von 23,80 oder 24,60 ins Depot aufgenommen haben. Langfristiges Wachstum über Dekaden verlagert den Horizont auf gänzlich andere Fragen und Aspekte, weg von den erratischen Entscheidungen eines US-Präsidenten, den und dessen kontraproduktive Wirtschaftspolitik unser Depot locker überleben wird. Es sind Fragen wie die folgenden, mit denen wir uns stattdessen befassen.

Ist unser Unternehmen existenziell bedroht? Wird es auch weiterhin langfristig erfolgreich sein können bzw. wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden? Wenn wir diese Fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv beantworten können, ist es nur noch von sekundärer Bedeutung, ob wir eine Aktie zu einem Einstandskurs von 2 – 3 USD mehr oder weniger erworben haben oder nicht. Wichtig ist, dass sich das entsprechende Papier überhaupt in unserem Depot befindet, um nach einigen Jahren z.B. eine Kursverdopplung feiern zu können.

Bei keinem unseren drei Pharmakonzerne gibt es Hinweise darauf, dass das Geschäftsmodell existenziell gefährdet ist. Es handelt sich durchweg um erfahrene, teilweise weit über 50 Jahre alte Aktiengesellschaften, die in der Vergangenheit mehrfach nachgewiesen haben, dass sie in der Lage sind, ihre Medikamentenpipeline erfolgreich einer Frischzellenkur unterziehen zu können. Die erforderlichen Maßnahmen, haben sie alle in Form von zahlreichen Zukäufen bereits in den letzten Jahren eingeleitet. Es ist jedoch auch davon auszugehen, dass noch weitere Zukäufe folgen werden. Kleinere oder mittelgroße Biotechs mit aussichtsreichen Pipelines wird man sich einverleiben, um wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Dass all dies mitunter Jahre braucht, muss man einkalkulieren.

Betrachtet man unsere drei Pharmakonzerne differenziert, dürften Pfizer und Merck & Co. es etwas einfacher haben, an den wirtschaftlichen Erfolg früherer Zeiten anzuknüpfen. Der Erfolg von Bristol Myers Squibb ist auch stark an den Erfolg der deutschen BioNTech SE gebunden. Reüssiert BioNTech SE mit dem Krebsmittel BNT327 dürfte dies für beide Unternehmen ein ganz bedeutender Schritt in Richtung wirtschaftliche Größe bedeuten. Beide Unternehmen teilen sich mögliche Profite und Kosten bei der Wirkstoffentwicklung. BNT327 ist ein bispezifischer Antikörper1), der das Potenzial besitzt, sich zu einer neuen Regelversorgung für unterschiedliche Krebstypen zu entwickeln. Er könnte damit in die Fußstapfen von Opdivo treten. Dieser Überzeugung sind zumindest die CEOs der beiden Unternehmen.  

1) Bispezifische Antikörper

Ein bispezifischer Antikörper (Englisch: bispecific monoclonal antibody), wird auch als Hybrid-Antikörper bezeichnet, der aus Bestandteilen von zwei unterschiedlichen monoklonaren Antikörpern besteht. Bispezifische Antikörper sind ein vielversprechendes, potenzielles Therapiekonzept in der Krebsimmuntherapie und Gegenstand von klinischen Studien.

Disclaimer:

Jeder Artikel gibt die persönliche Meinung des jeweiligen Verfassers wieder. Diese ist das Ergebnis eigener Recherchen, die nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine Wertpapierberatung bzw. Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren. Vorsorglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erwerb von Wertpapieren mit gewissen Risiken verbunden ist, mit Risiken, die im schlimmsten Fall zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können.

Es wird ferner darauf verwiesen, dass Wertpapierkäufe auf sorgfältige eigene Analysen und Recherchen gegründet sein sollten. Weder Retail Investor, noch der/die Verfasser eines Artikels haften für etwaig entstandene Verluste.  

Retail Investor – Klaus-Uwe Becker

Hinweis:

Retail Investor besitzt Aktien der folgenden Unternehmen: Pfizer, Merck & Co, Bristol Myers Squibb, AbbVie und Amgen.

 

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Klaus-Uwe Becker