von Klaus-Uwe Becker, 04.06.2025

Die Hauptzielgruppe von Retail Investor ist bekannterweise der Kleinanleger, der nur in vergleichsweise engen Grenzen Kapital für Aktienkäufe bereitstellen kann. Aktienkultur grundsätzlich zu fördern, ist ein weiteres Ziel, das mit unserem Fokus auf das Börsensegment der Kleinanleger zwangsläufig eng verknüpft ist.
Zukünftig werden wir regelmäßig Performance Statistiken für von uns ausgewählte Aktiengesellschaften (AGs) anbieten. Diese Statistiken konzentrieren sich im Wesentlichen auf die langfristige Kursentwicklung erfolgreicher Unternehmen. Im Vordergrund steht dabei die Kursentwicklung seit dem Börsengang (IPO) sowie die Frage, was aus einem Einmalinvestment von 1.000 USD geworden ist. Es werden jedoch auch ältere AGs analysiert, deren IPO bereits vor dem Zeitpunkt lag, den unsere Informationsquelle, Yahoo Finance US, uns anbietet. Beginnen werden wir heute mit der Performanceanalyse von Amazon und Nvidia. Beide US-Unternehmen, Mitglied der sogenannten Magnificent Seven Gruppe, stehen immer wieder im Fokus der Anleger, weil sie den Verlauf der US-Wirtschaft entscheidend beeinflussen.
Warum Performance Profile
Die von uns berechneten Werte zeigen das riesige Potenzial von Aktiengesellschaften beispielhaft auf. Natürlich muss man sich darüber bewusst sein, dass wir es hier mit einer Positivauslese zu tun haben, einer sogenannten Ex-Post-Analyse, die rückwirkend mit dem Wissen um die tatsächliche Kursentwicklung angefertigt wurde. Bewusst ist uns auch, dass die spannendere Frage, mit der wir uns in einem späteren Artikel befassen werden, darin besteht, wie man derartig erfolgreiche Aktiengesellschaften möglichst frühzeitig mit einer zufriedenstellenden Treffsicherheit erkennen kann.
Informationsgehalt und Nutzen
Trotz aller Einschränkungen, sind wir der Auffassung, dass unsere Performance Profile von ganz besonderer Bedeutung sind. Sie zeigen sehr anschaulich was theoretisch maximal möglich ist, verbinden dies jedoch auch mit Hinweisen auf die Frage, inwieweit ein wesentlich späterer Einstieg in eine dieser unternehmerischen Erfolgsgeschichten noch erfolgversprechend war. Ein derartiges Wissen dürfte es dem einen oder anderen Anleger aber auch leichter machen, Phasen in denen die Börsenkurse aus unterschiedlichen Gründen auf der Stelle treten auszusitzen, ohne nervös geworden, einen Verkaufsauftrag zu erteilen.

Fokus Langzeitinvestment
Unsere Performance Analyse zeigt vor allem das maximale Potenzial einer Langzeitstrategie, einer Strategie, die sich nicht um tägliche und monatliche Kursbewegungen kümmert, politische und wirtschaftliche Ereignisse weitgehend ignoriert.
Der einzige Fokus besteht darin, zu unterstellen, dass das jeweilige Geschäftsmodell langfristig tragbar, ja sogar erfolgreich sein könnte oder besser, sein sollte. Wer eine Aktienhaltedauer von 30 – 50 Jahren oder sogar länger als absurd ansieht, dem sei entgegengehalten, dass es zahlreiche Unternehmen gibt, die seit mehr als hundert Jahren äußerst erfolgreich am Markt performen. Unternehmen, die allen globalen Krisen und Konflikten zum Trotz überlebt haben und dies mit durchaus ansehnlichem Erfolg. Der Unterschied zwischen dem Besitz eines gesamten Unternehmens und einer einzelnen Aktie ist jedoch nur ein quantitativer, keinesfalls ein qualitativer. Diese Tatsache haben leider nur wenige Menschen wirklich verinnerlicht.
Vorbehalte
Bei den Unternehmen, die wir von Anfang an analysiert haben, also vom Zeitpunkt des Börsengangs, dem Initial Public Offering (IPO) an, bis zum angegebenen aktuellen Datum, gilt es folgendes in Betracht zu ziehen. Die oft sensationellen Kursgewinne und Renditen hätte man nur erzielt, wenn man vom ersten Tag der Unternehmensgeschichte als börsengelistetes Unternehmen investiert gewesen wäre. Das setzt dreierlei Dinge voraus:
- Fast hellseherische Fähigkeiten, den sensationellen Firmenerfolg von Beginn an antizipieren zu können.
- Unglaubliches Glück, aus der Vielzahl der jährlichen IPOs ausgerechnet den oder die Top Gewinner identifizieren zu können.
- Eine nachhaltige Langfriststrategie, die mindestens auf einen Anlagehorizont von 20 – 40 Jahren ausgelegt ist.
Zu Punkt 1 und 2 sollte man realistischerweise folgende Fakten zur Kenntnis nehmen. Selbst ein Bill Gates hat und konnte den sensationellen Erfolg von Microsoft am Tage des Microsoft IPOs nicht voraussehen.
Im Zeitraum von 2000 bis 2025 fand am US-amerikanischen Markt mit ca. 6.400 Börsengängen (Quelle: Statista) eine überproportional hohe Anzahl von IPOs statt. Im statistischen Durchschnitt ist in etwa von ca. 240 – 250 IPOs pro Jahr auszugehen. Aus dieser großen Anzahl die vielleicht zwei bis drei absoluten Gewinner pro Jahr sicher und seriös vorauszusagen, ist kaum möglich.

Ein weiterer, wesentlicher Aspekt besteht darin, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Entwicklung der Vergangenheit nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Nach einer Phase stürmischen Wachstums, fallen viele Aktiengesellschaften über die Jahre auf den statistischen Mittelwert zurück. Sie weisen dann „nur noch“ Wachstumsraten von 7% bis 10% auf. Auch lange Phasen von Nullwachstum, in denen sich die Unternehmen quasi neu erfinden müssen, ihr Geschäftsmodell umstellen oder erweitern müssen, sind an der Tagesordnung. Das gilt selbst für die absoluten Superstars der Börse, wie z.B. Microsoft oder Oracle und kann mitunter mehr als 10 Jahre stagnierenden Wachstums nach sich ziehen.
Performance über drei Zeithorizonte
Wir ermitteln die Kursperformance über drei unterschiedlich lange Zeitspannen. Aus diesen Daten kann man Rückschlüsse darauf ziehen, ob das Wachstum stabil geblieben ist oder möglicherweise bereits der Rückfall auf den langfristigen statistischen Mittelwert eingesetzt hat. Allerdings gilt auch hier die triviale Weisheit, dass die Zukunft unbekannt ist.


Was die Performance Tabelle über Amazon verrät.
Eine Analysehilfe
Amazon ging vor 29 Jahren, am 15.05.2025, zum Schlusskurs von 24,00 USD an die Börse. Der Schlusskurs zum Endzeitpunkt unserer Analyse, am 30.05.2025, betrug 205,01 USD.
Insgesamt hat das Unternehmen innerhalb der 29 Jahre 4 Stock Splits durchgeführt. Der daraus resultierende Stock-Split-Faktor liegt bei dem 240-fachen. Das bedeutet, aus einer zum IPO-Zeitpunkt gekauften Aktie wurden per Stock Split 240 Aktien.
Ein Investor hätte 41 Aktien bekommen, wenn er den Betrag von 1.000 USD zum IPO-Schlusskurs am 15.5.1997 investiert hätte. Diese 41 Anteilscheine wären bis zum 16.05.2025 durch die unterschiedlichen Aktiensplits auf 9.840 Aktien angewachsen, ohne, dass der Anleger auch nur eine Aktie aktiv hinzugekauft hätte.
Bisher hat Amazon zu keinem Zeitpunkt eine Bardividende ausgeschüttet. Demzufolge besitzt das Unternehmen keinerlei Status als Dividend Contender, King o.ä.
Über die drei von uns analysierten Zeitspannen hat Amazon ein durchschnittliches jährliches Kurswachstum von 10,92% (über die letzten 5 Jahre), 25,32% (über die letzten 10 Jahre) und 30,08% (über die gesamte Zeitspanne von 29 Jahren) erwirtschaftet.
Weil Amazon bisher noch keine Dividende gezahlt hat, ist der Wachstumswert ohne Einbeziehung von Dividenden (CXD) und der Wachstumswert mit Berücksichtigung von Dividendenzahlungen (CID) identisch.
Aus dem anfänglichen Einmalinvestment von 1.000 USD wäre der Betrag von 2.051.659,66 USD nach einer Wartezeit von 29 Jahren entstanden (29 CXD). Über die letzten 10 Jahre hätte ein Einmalinvestment den Betrag von 9.554,40 USD erwirtschaftet (10 CXD). Bei der kürzesten Haltedauer über die letzten 5 Jahre (5CXD) wäre ein Einmalinvestment von 1.000 USD auf 1.6789,99 USD angewachsen.
Kurzfazit:
Amazon ist eine sogenannte Millionärsmacher-Aktie, die den frühen, geduldigen Investor über ein Einmalinvestment von 1.000 USD zum 2-fachen Dollarmillionär gemacht hätte.
In den USA existiert der Begriff 100-Bagger. Er bezeichnet eine Aktie, die sich wenigstens verhundertfacht hat. Amazon gehört zu diesem illustren Klub. Dieses Beispiel symbolisiert aber auch die ungeheure Wucht des Zinseszinses, der über einen Zeitraum von 29 Jahren seine magische Wirkung entfalten konnte.
Allerdings hat er unseren Investor auch zum Millionär gemacht, der über keinerlei Dividendeneinkünfte verfügt.
Unser Beispiel zeigt auch, dass jährliche Kurswachstumsraten von 20% – 30% bei Top-Aktien auch über längere Zeitspannen möglich sind. Der abfallende Wachstumstrend über die letzten 10 und 5 Jahre kann jedoch auch als Anzeichen dafür interpretiert werden, dass zukünftige Investoren wohl eher nicht mehr mit derartig hohen Wachstumsraten rechnen können werden.
Disclaimer:
Jeder Artikel gibt die persönliche Meinung des jeweiligen Verfassers wieder. Diese ist das Ergebnis eigener Recherchen, die nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine Wertpapierberatung bzw. Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren. Vorsorglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erwerb von Wertpapieren mit gewissen Risiken verbunden ist, mit Risiken, die im schlimmsten Fall zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können.
Es wird ferner darauf verwiesen, dass Wertpapierkäufe auf sorgfältige eigene Analysen und Recherchen gegründet sein sollten. Weder Retail Investor, noch der/die Verfasser eines Artikels haften für etwaig entstandene Verluste.
Retail Investor – Klaus-Uwe Becker
Hinweis:
Retail Investor besitzt sowohl Amazon als auch Nvidia Aktien. Zukäufe sind möglich, Verkaufe sind nicht geplant und kaum vorstellbar.
Detaillierte Interpretationshilfe
Die detaillierte Interpretationshilfe ist mit einigen zusätzlichen Details angereichert, die ein noch genaueres Verständnis der Daten ermöglichen.
Wie das Performance Profil zu interpretieren ist:
IPO/Analysebeginn benennt den Anfangszeitpunkt, über den sich die maximale Analysezeitspanne erstreckt. Im Normalfall handelt es sich dabei um den IPO Tag (Initial Public Offering), den Tag, an dem die Aktie zum ersten Mal an der Börse gehandelt wurde. Bei älteren Unternehmen ist der älteste Tag, den Yahoo Finance US in seiner Datenbank anbietet, Grundlage für die Berechnungen.
Schlusskurs benennt die jeweiligen Börsenschlusskurse zu den angegebenen Daten.
Stock-Splits zeigt die Anzahl der durchgeführten Aktiensplits an. Die Zahl 3 bedeutet z.B., dass eine Aktiengesellschaft insgesamt 3 Split-Maßnahmen vorgenommen hat. Sie sagt nichts über deren Split-Verhältnis aus.
Was ist ein Aktiensplit: Bei einem Aktiensplit handelt es sich um eine Kapitalmaßnahme, bei welcher die Anteilsscheine eines Unternehmens nach einem festgelegten Verhältnis erhöht (Forward Stock Split) oder verringert (Reverse Stock Split) werden. Splittet ein Unternehmen seine Aktien beispielsweise im Verhältnis von 2:1, wird die Anzahl der ausstehenden Anteilsscheine verdoppelt, während sich der Preis je Wertpapier halbiert.
Stock-Split-Faktor gibt das Vielfache an, das aus den unterschiedlichen Aktien-Splits resultiert. Hat ein Unternehmen z.B. drei Splits mit dem Split-Verhältnis von 2:1 durchgeführt, ergibt sich daraus ein Vielfaches von 8 (Rechnung: 2 x 2 x 2). Aus einer einzelnen Aktie, die sich ursprünglich im Besitz des Aktionärs befand, werden 8 Aktien (Post Split/nach dem Split).
Manchmal führen Unternehmen auch Aktiensplits mit ungeraden Verhältnissen durch; oft wenn z.B. Teile des Unternehmens über sogenannte Spin-Offs abgespalten werden. In diesen Fällen haben wir das daraus resultierende Vielfache abgerundet, so dass ganze Aktien zustande gekommen sind. Bruchteile von Aktien, sogenannte Fractional Shares, haben wir nicht in unsere Rechnungen mit einbezogen.
Aktien für 1000 gibt die Anzahl der Aktien an, die ein Investor erhalten hätte, wenn er den Betrag von 1.000 USD zum errechneten IPO Schlusskurs, bzw. zum Datum des ausgewiesenen Investitionsbeginns, investiert hätte.
Aktien aus 1000 zeigt die Anzahl der Aktien, die ein Investor halten würde, wenn er zum IPO-Kurs bzw. zum Datum des ausgewiesenen Investitionsbeginns, 1.000 USD investiert hätte. In dieser Aktienzahl sind Aktien-Splits berücksichtigt.
CAGR ist die englische Abkürzung für Compound Annual Growth Rate, die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate. Diese ist berechnet für die in der darüberliegenden Zeile ausgewiesene Zeitspanne.
5 CXD benennt die Wachstumsrate (C) über die letzten 5 Jahre, berechnet vom ausgewiesenen Datum des angegebenen Schlusskurses. Dabei wurden die Dividendenzahlungen nicht berücksichtigt (also: Ex Dividend).
10 CXD benennt die Wachstumsrate (C) über die letzten 10 Jahre ohne Berücksichtigung der Dividenden (also: Ex Dividend).
Die dritte und vierte Spalte weist die Wachstumsraten über die gesamte, maximale Zeitspanne aus. 22 CXD benennt dabei z.B. das Wachstum über 22 Jahre, ohne die Dividenden in die Berechnung einzubeziehen.
22 CID benennt ebenfalls das Wachstum über 22 Jahre, berücksichtigt bei der Berechnung jedoch die Dividenden (Included Dividends).
aus 1000 gibt den Betrag an, den ein Investment in Höhe von 1.000 USD erwirtschaftet hätte, wenn man zu Beginn des oben angegebenen Datums investiert hätte oder dies in den letzten 5 Jahren oder 10 Jahren erfolgt wäre. In Spalte 3 und 4 wird sowohl der erwirtschaftete Betrag mit, als auch ohne reinvestierte Dividenden angegeben.
Besonders schön zu sehen ist der generationsübergreifende Effekt des Zinseszinses, den wir bei Anlagezeiträumen von 50 und 80 Jahren unterstellen. Einen sagenhaften Wertzuwachs von 7,9 Millionen Euro erbringen die zusätzlichen 30 Jahre, wenn sie auf den Anlagehorizont von 50 Jahren draufgesattelt werden. Berücksichtigt man dazu noch, dass die ersten 50 Jahre „lediglich“ ein Vermögen von gut 1 Million erwirtschaftet haben, muss man eigentlich sehr nachdenklich werden.
Es wird aber auch deutlich, dass so ziemlich jeder, der monatlich 200 Euro investieren kann und sehr früh schlau genug ist, Millionär werden kann. Das von uns angesetzte, durchschnittliche Kurswachstum von 7% erfordert jedenfalls keine besondere Investorenleistung. Über die letzten 50 Jahre ist der Dow Jones Industrial Average um 7,5%, der S&P 500 über 10,5% und der DAX um 8,2% im statistischen, jährlichen Durchschnitt gewachsen.
Für die von uns vorgestellte KMI-Strategie gilt zudem, dass es für jeden Ansatz verschieden Niveaustufen gibt, auf denen man das Feld bespielen kann. Bei den Dividendenpapieren bestünde die einfachste Stufe darin, sich auf sogenannte Dividend Champions, Kings und Contenders zu konzentrieren. Das Kompetenzmerkmal des Investors würde sich auf die Auswahl aus der bestehenden Liste von Aktiengesellschaften beschränken. Nach relativ einfachen Merkmalen würden die Unternehmen, die für das eigene Depot in Frage kommen, ausgewählt. Dabei sollte die Streuung der Werte relativ groß sein.

Klaus-Uwe Becker